Unternehmensberater Andreas Letto im Interview.
In den Experten-Interviews sprechen wir mit Spezialisten aus verschiedenen Bereichen unseres Netzwerks und holen uns Meinungen und Prognosen zu dem Benefittrend „Financial Wellbeing“ ein. Aus 30 Fragen, die uns umfassende Antworten lieferten, veröffentlichen wir im Blogformat die interessantesten pro Interview. Wir sprechen in diesem Blogbeitrag mit dem Unternehmensberater Andreas Letto.
Andreas Letto ist Managing Partner bei Binder Consulting Unternehmensberatung GmbH. Er verfügt über mehr als 25 Jahre strategischer Beratungserfahrung und Unternehmensprozessrollen. Für ihn bietet Financial Wellbeing Chancen für Unternehmen die Loyalität sowie Produktivität der Mitarbeiter zu erhöhen, wobei er dabei klar die Wichtigkeit zielgruppengerechter Angebote und Kommunikation betont: „Ich sehe hier einen sehr hohen Personalisierungsbedarf.“
Ich sehe hier einen sehr hohen Personalisierungsbedarf
Andreas denkst du, dass „Financial Wellbeing“ (in Deutschland) ein (Alleinstellungs-)Merkmal für Unternehmen im Kampf um Talente beim Recruiting ist oder werden könnte?
AL: Ich denke es ist bei diesem Thema vor allem wichtig, eine zielgruppenspezifische Perspektive einzunehmen. Beim Total Benefits in den USA oder auch in den UK Konzept (der Mitarbeiter bekommt ein volles Bild, welchen finanziellen Effekt beispielsweise seine Beschäftigung hat, seine Investition in Altersvorsorge usw.) gehört der persönliche finanzielle Aspekt einfach dazu. Bei der momentanen Situation in Deutschland gibt es hingegen Personengruppen, bei denen das Thema relevanter ist, bei anderen hingegen nicht.
Grundsätzlich denke ich jedoch, dass man durch Financial Wellbeing Angebote einfach das Gefühl bekommt, das Unternehmen ist vollumfänglich für einen da. Mein Unternehmen kümmert sich um mich und Financial Wellbeing fungiert hier eher als Bindungsmittel. Also eine Möglichkeit vor allem die Loyalität der Mitarbeiter zu steigern.
Glaubst du persönlich, dass Mitarbeiter sich Unterstützung seitens des Arbeitgebers im Bereich „Financial Wellbeing“ wünschen?
AL: Ich kann mir gut vorstellen, dass sich Mitarbeiter das wünschen und es auch gut funktioniert. Bedingung dafür ist jedoch, dass es auf die jeweiligen Personen angepasst ist. Vor allem bei jüngeren Leuten, die gerade in ihren ersten Jahren Berufserfahrung sind, zum Beispiel sehe ich Potential. Sie haben oft keine Erfahrung damit Geld auszugeben und wissen noch nicht, was es heißt eigenes Gehalt zu verdienen und im Arbeitsleben zu stehen.
Glaubst du, dass ein Unternehmen sich um persönliche finanzielle Themen von Mitarbeitern kümmern sollte?
AL: Unternehmen sollten vor allem das Interesse haben, dass es ihren Mitarbeitern ganzheitlich gut geht. Mitarbeiter, denen es gut geht zeigen höhere Produktivität und eine höhere Loyalität dem Unternehmen gegenüber. Gleichzeitig nützt es nichts, Financial Wellbeing anzubieten, wenn man die Mitarbeiter ansonsten mit keinen weiteren guten Benefits bedient. Financial Wellbeing sollte als attraktives Element eines Gesamtportfolios der Benefits gesehen werden.
Wie meinst du, könnte man das „Tabuthema“ persönliche Finanzen in deinem Unternehmen einführen, bzw. Bewusstsein hierfür schaffen?
AL: Das Thema sollte Teil oder Ausdruck einer glaubhaften Gesamtkultur sein. Eine Kultur, die sich wirklich für den Mitarbeiter und sein Wohlbefinden kümmert. „Wir kümmern uns um unsere Mitarbeiter“ als Haltung des Unternehmens, sodass Financial Wellbeing als logisches Element folgt.
Welche Angebote und Lösungen kennst du, die man implementieren kann, um Financial Wellbeing zu fördern (z.B. Financial Education/ Coaching, Rentenvorsorge, Budgeting Werkzeuge und Tools, Mitarbeiterdarlehen, generell financial Benefits)?
AL: Hier sehe ich verschiedene Möglichkeiten, unter anderem:
- Transparenz über alle finanziellen Leistungen des Unternehmens (lang und kurzfristig z.B. Sparpläne, Altersvorsorge)
- Financial Councelling (direkte Beratung und Gespräche)
- Firmenkredite
- Benefitsprogramme und private Altersvorsorge
Wo siehst du bei der Einführung von Benefits im Bereich Financial Wellbeing die größten Hürden (z.B. länderübergreifende Unterschiede in Besteuerung, Möglichkeit Angebot bestimmter Finanzinstrumente)?
AL: Ich denke hier gibt es einiges. Zum einen eine mögliche Konkurrenz des Offerings mit der Gesamtkultur des Unternehmens (je nachdem, wie das Unternehmen aufgestellt ist). Wichtig, dass es nicht Misstrauen der Mitarbeiter weckt und sie sich womöglich sogar fragen „Warum machen die das?“, „Wollen sie Einblick in meine Finanzen?“ usw. Das Angebot muss auch zielgruppengerecht sein, also wirklich auf die Bedürfnisse der Mitarbeiter zugeschnitten sein. Ich sehe hier einen sehr hohen Personalisierungsbedarf.
Und nicht nur das Angebot selbst – wie übersetze ich die jeweiligen Leistungen, dass es beim einzelnen Mitarbeiter wertvoll ist und auch so wahrgenommen wird? Natürlich muss ich anderes anbieten oder auch anders kommunizieren, wenn ich Offerings für beispielsweise einen jungen High Potential vs. einen Geringverdiener in meinem Unternehmen mache. Oftmals spielen hier dann Faktoren wie Lebensalter, Einkommensstufe oder Ausbildung sowie grundsätzliches Verständnis für finanzielle Zusammenhänge eine große Rolle.
Wir bedanken uns ganz herzlich bei Andreas Letto für seine Zeit und das spannende Interview.
Das Interview führten Bettina Bruhn und Francesca Morar.
Wenn Sie auch Teil der Analyse des Benefittrends „Financial Wellbeing“ werden wollen, dann nehmen Sie an unserer Online-Umfrage teil oder kontaktieren uns direkt unter info@unequity.com.
- Dieser Beitrag wurde veröffentlicht am